Pflegeberufe: viel besser als ihr Ruf!

Fachkräfte und Azubis geben persönliche Einblicke in ihren Berufsalltag – Internationaler Tag der Pflege am 12. Mai.

Wer träumt nicht von einem Beruf, in dem die persönlichen Stärken vereint werden mit Wertschätzung, Teamwork, guten Verdienstmöglichkeiten und Karrierechancen? „Das alles bieten die Pflegeberufe!“, behaupten diejenigen, die es am besten wissen müssen: Menschen, die in der Pflege arbeiten und ausbilden. Bei einem Treffen im Caritas-Centrum Duderstadt sprachen erfahrene Fachkräfte und Berufsanfänger:innen aus Einrichtungen der Caritas, von den Maltesern und dem St. Martini Krankenhaus über ganz persönliche Gründe ihrer Berufswahl. Sie schilderten ihre Erfahrungen und Wünsche für die Zukunft ihres Berufsfeldes. Dabei zeigte sich: die Realität im Pflegeberuf scheint von den üblichen negativen Klischees – Überlastung, wenig Verdienst und Wertschätzung – weit entfernt zu sein. Alle Beteiligten bestätigten, mit ganzem Herzen in ihrem Beruf zu arbeiten, mit der Bezahlung durchaus zufrieden zu sein, Anerkennung und Wertschätzung von den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen zu erhalten und in der Vielfalt des Berufsfeldes auch spannende Karrieremöglichkeiten zu finden.

„Bei mir war die generalistische Pflegeausbildung eine ziemlich spontane Entscheidung. Ich wollte nach der Schule keinen Bürojob. Ich wollte viel erleben und Kontakt zu Menschen haben. Nach einem Probetag in der Pflege habe ich mich für diesen Beruf entschieden“, sagt Lina Wiese, Azubi im ersten Lehrjahr bei der Caritas Südniedersachsen. Ihre Erwartungen seien bisher voll erfüllt worden, meint die 18-Jährige. „Der Pflegeberuf ist sehr vielfältig, jeder Tag ist anders und es wird nie langweilig. Alles Neue wird uns gut erklärt“, beschreibt Lina Wiese ihre Einblicke in der Ausbildung. Zuvor hatte sie sich auch im Internet über die generalistische Pflegeausbildung informiert. Jungen Menschen, die sich noch nicht für einen Beruf entschieden haben, empfiehlt sie, einfach mal über Praktika in den Pflegeberuf hineinzuschnuppern.

Arbeiten begeistert in der Pflege (v.l.): Marlen Reinold, Andrea Gries, Anna Hartmann, Lina Wiese, Mudi Uygur, Lena Walter. | Foto: Johannes Broermann / cps
Arbeiten begeistert in der Pflege (v.l.): Marlen Reinold, Andrea Gries, Anna Hartmann, Lina Wiese, Mudi Uygur, Lena Walter. | Foto: Johannes Broermann / cps

2020 ist das neue Pflegeberufegesetz in Kraft getreten. In der seitdem geltenden generalistischen Ausbildung werden die drei Hauptbereiche der Pflegeberufe – Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege – zusammengelegt. Erst im dritten Lehrjahr besteht die Möglichkeit zur Spezialisierung. „Die Ausbildung ist ein Grundstein. Später kann sich jeder nach seinen persönlichen Stärken orientieren. Über Weiterbildungen gibt es gute Karrierechancen, die auch noch ganz andere Bereiche öffnen“, erklärt Lena Walter von den Duderstädter Maltesern. Vor 20 Jahren hat sie den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin gelernt. Dank vielfältiger Erfahrungen – von der Intensivstation bis zum Dienst im Ausland (Eritrea) – und umfassender Weiterbildungen unterrichtet sie heute als Berufspädagogin die Auszubildenden in der Berufsfachschule der Malteser. „Seit der Einrichtung der generalistischen Ausbildung ist der Pflegeberuf noch hochwertiger geworden. Das Wechseln von einem Bereich in den anderen fällt leichter und die verschiedenen Berufsschwerpunkte Alten-, Kranken- und Kinderpflege erhalten die gleiche Wertschätzung“, hat sie festgestellt.

Mudi Uygur hat 2017 seine Ausbildung als Krankenpfleger im Duderstädter St. Martini Krankenhaus begonnen. Zwei Jahre nach seinem Examen ist er von der Chirurgischen Station auf die Intensivstation gewechselt. Die große Verantwortung und der Umgang mit Technik machen ihm keine Angst. „Man muss die Abläufe gut kennen, dann macht der Job auch richtig Spaß. Ich arbeite gern auf der Intensivstation, denn es besteht im wahrsten Sinn des Wortes ein intensiverer Kontakt zu den Menschen, die ich versorge und dafür gleichzeitig mit modernster Medizintechnik umgehen muss. Mich macht es zufrieden, wenn es einem Patienten in einer gesundheitlich kritischen Situation wieder besser geht“, beschreibt der Duderstädter seine Motivation. Es sei zwar ein Lernprozess, die schweren Fälle auf der Intensivstation nach Feierabend gedanklich wegzuschieben und so die eigene Kraft zu bewahren, aber das gelinge ihm ganz gut, meint er. Mudi Uygur gibt zu bedenken, dass man seine persönliche Eignung für die Intensivstation oder den OP-Saal nicht bei einem Praktikum ermessen könne, da in diesen Bereichen Praktikanten oder FSJler nicht einsetzbar sind. Allerdings werde man in der Ausbildung langsam auch an die schwierigen Aufgaben in den jeweiligen Pflegebereichen herangeführt.

Für Praxisanleitung in der Pflege-Ausbildung im Krankenhaus St. Martini ist Marlen Reinold zuständig. Sie selbst bezeichnet sich als „alter Hase“ in dem Job. „Der Pflegeberuf sollte für mich eigentlich das Sprungbrett in die Sozialpädagogik sein“, erzählt sie. Zum Absprung kam es allerdings nicht. 1977 hat sie in St. Martini ihre Ausbildung zur Krankenpflegehelferin begonnen. Es folgte eine dreijährige Ausbildung zur examinierten Krankenschwester in Hildesheim, dann die Rückkehr nach Duderstadt. „Ich habe alle Stationen des Krankenhauses kennengelernt. Das hat mir richtig gut gefallen“, blickt sie auf ihre beruflichen Anfänge zurück. Nach der Geburt ihrer Kinder hat sie in den 1990-er Jahren als Schulassistentin in der Krankenpflegeschule St. Martini gearbeitet. Inzwischen ist sie als hauptamtliche Praxisanleiterin wieder in die Pflege zurückgekehrt. „Helfen kann jeder. Aber professionelle Hilfe kann nur über eine gute Ausbildung gewährleistet werden“, erklärt sie. Als langjährige Fachkraft hat sie beobachtet, dass sich nicht nur in der Ausbildung, sondern auch bei den Standards in Pflegeheimen viel verändert hat. „In den 70-er Jahren wurde zum Beispiel die Zusammenkunft von Alten und Kindern in den Einrichtungen untersagt. Heute gibt es Mehrgenerationenhäuser, und in den kommenden Jahren werden weitere neue Konzepte entstehen“, weiß sie. Daher sei auch die generalistische Ausbildung im Pflegeberuf von Vorteil, welche die Basis für alle Pflegebereiche umfasse.

Nach einer abgeschlossenen Ausbildung als Restaurantfachfrau / Verkauf hat sich Andrea Gries neu orientiert und eine Ausbildung zur Pflegefachkraft bei den Maltesern begonnen. „Ich arbeitete gern mit Menschen. Allerdings wünschte ich mir mehr Sinn in meinem Beruf. Und nach der Geburt meines Kindes wollte ich auch finanziell besser dastehen“, nennt sie die Gründe für ihren Neuanfang in der Pflege. Zwar gebe es auch hier Wochenenddienste, doch die ließen sich im Team entsprechend planen. So sei der Beruf mit der Mutterschaft gut vereinbar. Und vor allem habe sie in der Pflege ihre persönliche Stärke erkannt: „Ich arbeite heute mit Demenz-Erkrankten. Das liegt mir, es fällt mir nicht schwer, mich auf diese besonderen Lebenssituationen einzulassen“, sagt sie. Andrea Gries empfiehlt ebenfalls, sich bei der Berufswahl vorab über die Möglichkeiten des Pflegeberufs zu informieren und bestenfalls über ein Praktikum oder FSJ erste Eindrücke zu gewinnen.

Anna Hartmann, Pflegefachkraft bei der Caritas in Duderstadt, wusste schon als Jugendliche, dass sie „irgendwas Soziales“ machen wollte. Als Helferin im Seniorenheim in Leinefelde und einem FSJ in Heiligenstadt reifte der Entschluss, beruflich in die Pflege zu gehen. Allerdings hat sie sich nach der Ausbildung und einem Jahr Berufserfahrung nicht für den Dienst in einem Krankenhaus oder Heim entschieden, sondern arbeitet im Ambulanten Pflegedienst. „Im eigenen Zuhause der Pflegebedürftigen kriegt man mehr mit von den Menschen. Man muss zwar sehr flexibel und spontan sein, weil immer etwas Unvorhersehbares passieren kann, aber dafür ist auch die Eigenverantwortung und Anerkennung sehr hoch“, sagt Anna Hartmann. Sie schätzt das Vertrauen, das über längere Zeiträume mit den Pflegebedürftigen entstehe, und auch eine gewisse Unabhängigkeit von der Routine in stationären Einrichtungen. Bei Notfällen sei aber das Kolleg:innen-Team immer erreichbar.

Simone Lojda, Geschäftsbereichsleitung Altenhilfe und Pflege der Caritas, bestätigt, dass es nur wenige Abbrüche bei den Auszubildenden gebe. „Die meisten bleiben dabei, wenn sie sich für den Pflegeberuf entschieden haben“, hat sie festgestellt.

Florian Grewe, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im Krankenhaus St. Martini, wünscht sich mit der generalistischen Ausbildung auch die Verabschiedung von negativen Klischees. „Zurzeit verändert sich viel, die alte und neue Ausbildung treffen aufeinander. Darin liegen auch Chancen für eine bessere Darstellung der Pflegeberufe“, hofft er.

Mehr Unterstützung von der Politik wünscht sich Jaqueline Haase, Dienststellenleiterin der Malteser in Duderstadt. „Es gibt keinen Zivildienst mehr, wo junge Menschen früher Einblicke in den Pflegeberuf erhielten und sich dann oft für eine entsprechende Ausbildung entschieden haben. Gut wäre heute vielleicht ein soziales Praktikum für alle 9. und 10. Klassen“, meint sie. Zwar bemühten sich die Einrichtungen schon selbst mit Aktionen wie die „Nacht der Pflege“ oder über Schulprojekte, um die vielfältigen Berufsfelder der Pflege vorzustellen, aber das alles reiche noch nicht, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Wer sich also für eine generalistische Ausbildung in der Pflege entscheidet, hat später bei der Spezialisierung eine große Auswahl an Berufsfeldern: Liegt einem eher die Teamarbeit auf einer Station im Krankenhaus oder bevorzugt man langfristige Kontakte zu Pflegebedürftigen in ihrem häuslichen Umfeld? Reizt die lebensrettende Technik auf der Intensivstation oder hat man einen besonderen Draht zu erkrankten Kindern? Möchte man sein Wissen weitervermitteln oder sogar neue Erfahrungen bei Hilfsprojekten im Ausland sammeln? Entdeckt man bei sich vielleicht die Begabung zur Teamführung und könnte selbst mal eine Einrichtung leiten?

Die generalistische Ausbildung legt den Grundstein für äußerst vielseitige Möglichkeiten, um beruflich seinen ganz persönlichen Weg zu finden. Und dazu bietet sie Lebenssinn, Erfüllung, Abwechslung, Zukunftssicherheit und Karrierechancen.

Text: Claudia Nachtwey

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