Prävention vor Glücksspielsucht geht alle an

An einer Fachtagung zu „Glücksspielsucht und Migration“ nahm auch Friederike Smilge von der Caritas-Suchtberatung in Duderstadt teil. Im Oktober startet sie eine Chat-Möglichkeit auf Türkisch.

Im Rahmen des Fachtages „Glücksspielsucht und Migration“ in der Göttinger Musa informierten sich Suchtberater:innen aus der Region über die Risiken und diskutierten zusammen mit geladenen Expert:innen über Möglichkeiten der Prävention. Organisiert wurde der Fachtag anlässlich des bundesweiten Aktionstags Glücksspielsucht am 28. September von der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention im Diakonieverband des Ev.‐luth. Kirchenkreises Göttingen. 

Suchtberaterin Kristin Otte (r.) organisierte für ihre Kolleg:innen einen Fachtag zum Thema „Glücksspielsucht und Migration“ in der Göttinger Musa | Foto: Jeanine Rudat
Suchtberaterin Kristin Otte (r.) organisierte für ihre Kolleg:innen einen Fachtag zum Thema „Glücksspielsucht und Migration“ in der Göttinger Musa | Foto: Jeanine Rudat

 

„Laut einer Studie der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. aus 2021 liegt bei 2,3 Prozent der Menschen im Alter von 18 bis 70 Jahren eine Glücksspielstörung vor, bei 1,1 Prozent eine leichte Störung“, erläutert Kristin Otte von der Göttinger Fachstelle für Sucht und Suchtprävention. „Weiteren Studien ist zu entnehmen, dass Menschen mit Migrationshintergrund zur Risikogruppe gehören. Die Beratungszahlen spiegeln dies jedoch nicht wider. Im Rahmen des Fachtags wollten wir zusammen erarbeiten, wie diese Menschen vom Hilfesystem besser erreicht werden und davon profitieren können.“ 

Nach einer Begrüßung von Sieglinde Bulla, Leiterin der Fachstelle für Sucht‐ und Suchtprävention, führte Otte in die Glücksspielproblematik ein. Automatenspiele sowie Live‐Sportwetten im Internet gehören zu den Glücksspielen mit dem höchsten Suchtpotential. Und genau dort besteht der Zusammenhang mit muslimischen Migrant:innen, wie Halidun Atlas von „Step Drobs Hannover“ in seinem Vortrag berichtet. Obwohl Glücksspiel im Koran verboten ist, gehörten Karten‐ oder Backgammonspiele seit jeher zur Teehauskultur der Heimatländer, die auch in Deutschland weiter praktiziert wird. 

Fast ausschließlich Männer treffen sich zum geselligen Beisammensein und spielen, gelegentlich auch illegal, um Geld. Sportspiele werden live im Wettbüro kollektiv auf dem großen Bildschirm geschaut. Gerade junge Männer fühlen sich in Spielstätten willkommen und Gewinne aus Wetten werden als „sauber“ (legal) gesehen, als Lohn etwa für Fachwissen im Fußball. Meistens wird das Suchtpotential nicht erkannt und über psychische Probleme nicht geredet. 

Um diese Menschen besser zu erreichen wurde 2021 das Modellprojekt „Prävention und Frühintervention von Glücksspielsucht für Menschen mit Migrationshintergrund“ ins Leben gerufen. Drei Jahre wird es von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) finanziert und von der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen koordiniert. Die Step gGmbH ist für den praktischen Teil der wissenschaftlichen Studie der Universität Bremen zuständig. 

Dr. Phil. Tobias Hayer, Leiter der Arbeitseinheit Glücksspielforschung der Universität Bremen, bestätigt den Zusammenhang zwischen Glückspielsucht und Migrationshintergrund. Gerade junge Männer werden durch Rap‐Videos von Influencern, gesponsert von Sportwettbetreibern, zu Sportwetten animiert und Spielhallen und Wettbüros sind überzufällig häufig in Gebieten vorzufinden, die als sozial‐strukturell benachteiligt gelten. Identitätskrisen, finanzielle Engpässe, begrenzte Aufstiegschancen und soziale Teilhabe können Gründe dafür sein, dass die Anzahl von Menschen, die an einer schweren Glücksspielstörung leiden, doppelt so hoch ist, wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund. 

Nach einem Erfahrungsaustausch zum Thema kulturelle Besonderheiten mit Alexander Krüger vom Göttinger Migrationszentrum endete der Fachtag mit einer Diskussion, bei der auch Oliver Selcho teilnahm, der früher selbst glücksspielsüchtig war und heute Selbsthilfegruppen leitet.

Caritas-Suchtberatung Duderstadt bietet Chat-Angebot auf Türkisch

Von der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention im Caritas-Centrum Duderstadt war Friederike Smilge unter den Zuhörenden. „Die Schwierigkeiten und Probleme der Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sind sehr ähnlich“, fasst sie ihre Eindrücke zusammen. „Wir sind offen für alle“, betont die Suchtberaterin der Caritas. Ab sofort werde es von Duderstadt aus ein regelmäßiges Chat-Angebot auf Türkisch geben. Das solle dazu beitragen, die Hemmschwellen abzubauen, sich Hilfe zu suchen. „Häufig sind Betroffene schamerfüllt und haben Angst sich zu outen“, meint Smilge und fügt hinzu: „Wir sichern unsere umfassende Schweigepflicht zu.“ Zudem bietet die Caritas unter https://beratung.caritas.de/suchtberatung ihre Online-Beratung komplett anonym an.

Der Aktionstag Glücksspielsucht wird 2022 zum 12. Mal durchgeführt. Immer am letzten Mittwoch im September soll mit besonderen Angeboten die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert und auf Präventions‐ und Beratungsangebote aufmerksam gemacht werden.

Online-Beratung der Caritas Südniedersachsen auf Türkisch

Jeden ersten Mittwoch im Monat, von 12 bis 13 Uhr, gibt es ein Online-Chat-Angebot in türkischer Sprache. Türkische Ratsuchende können sich dann vertrauensvoll in ihrer Muttersprache an unsere Mitarbeitenden wenden.

Türkçe dilinde danışma hizmeti

Her ayın birince çarşambası, sabah saat 12'den 13'e kadar, internet üzerinden Türkçe sohbet sunuyoruz. Türkçe danışma arayanlar güvenli bir şekilde bize Türkçe dilinden iletişime geçebilirler.
 


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